Big Data – Vom Buzzword zum Fachwort
Begriff und Hintergrund im Wandel der Zeit
Heilsbringer, Volksmanipulierer, technokratische Dystopie oder doch Wegweiser im Datenchaos?
Big Data scheidet die Geister. Dabei hat es als Oberbegriff für Orwell’sche Phantasien längst ausgedient.
von Martin J. Schwiezer
Wenn ich in der allgemeinen Tagespresse über Big Data, bzw. dessen Einsatz in Wirtschaft oder Politik lese, bin ich immer etwas skeptisch. Weiß der jeweilige Redakteur wirklich, was er da von sich gibt? Oft sind Begriffserklärungen eindimensional, nicht klar von angrenzenden Themenbereichen differenziert oder schlichtweg falsch. Im Bezug auf die technischen Belange sind sauber recherchierte Artikel eher die Ausnahme.
Erschwerend kommt hinzu, dass Hollywood den Begriff Big Data sich nicht schöner hätte ausdenken können. Er klingt spektakulär und die vermeintliche Nähe zu Big Brother weckt Science-Fiction-Fantasien. Zufall? Orwell, Dick und Gibson treiben die Ausführungen geneigter Journalisten oft genug in die Ecke technokratischer Dystopien, was der sachlichen Berichterstattung über Möglichkeiten und Grenzen des Themas entgegenwirkt.
Tatsächlich unterliegt die Bedeutung des Begriffs Big Data einem derart rasanten Wandel, dass sich sogar die englische und die deutsche Wikipedia in wesentlichen Punkten der Definition voneinander unterscheiden. Die deutsche Wikipedia orakelt gar:
„Die zunehmende Aufweichung des Begriffs führt dazu, dass er immer mehr ein aussageloser Marketingbegriff wird und vielen Prognosen zufolge innerhalb der nächsten Jahre eine starke Abwertung erfahren wird.“
Auch in diesem Fall bin ich mir nicht sicher, ob der Autor weiß, was er von sich gibt, denn eins ist klar: Big Data ist gekommen, um zu bleiben. Viel mehr gilt es, die Evolution des Begriffes zu verfolgen und zu verstehen: Wurde er in den späten 90ern und frühen 2000ern gern als strahlkräftiger Oberbegriff für massive und komplexe Datenbestände, deren Auswertung, bzw. Analyse sowie den ersten Gehversuchen des darauf basierendem, prädiktiven Marketings verwendet, geht die aktuelle Entwicklung dahin, lediglich die reinen Datenbestände und -aggregationen, die eine bestimmte Struktur, Größe und Erhebung aufweisen, als Big Data zu bezeichnen und die Form der Verarbeitung oder Analyse dem Hauptbegriff anzuhängen (Big Data Processing, Big Data Analytics, Big Data Marketing etc.) oder durch einen präziseren Begriff zu ersetzen (Microtargeting, Behavioural Analytics etc.). Auch wenn Big Data trivial weiterhin gern als Oberbegriff gesehen und korrekt für Datenaggregationen mit bestimmten Spezifikationen verwendet wird, hat (und hatte) der Begriff ohne ergänzende, bzw. präzisierende Ausführung keine reale Bedeutung in der Prozessbeschreibung.
Dies vorausgeschickt, will ich der Eingangsfrage ‚Was ist Big Data?‘ natürlich keine Antwort schuldig bleiben:
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